Vor 2 Wochen wurde in der Agentur verkündet, dass der bisherige Creative-Director eine Stufe weiter auf Leiter aufsteigt, die sich Karriere nennt. Er hat aber nun auch wirklich genug Speichel von anderen geleckt, er hat sich seine Beförderung redlich verdient. Ich will gar nicht wissen, wie viele lange Stunden er tief im Arsch der Bosse der Firma verbracht hat. Außerdem hat er ein Vermögen für seine Golf-Club-Mitgliedschaft und Equipment ausgegeben. Das muss sich ja mal irgendwann auch rentieren, auch wenn er mir mal im Vertrauen gesagt hat, wie sehr ihn Golf anödet. Aber er müsse ja, wichtige Entscheidungen werden tatsächlich öfter auf dem Grün getroffen, als man meinen sollte.

Jedenfalls wird nun natürlich seine Stelle als Creative-Director frei. Und jetzt geht das Geschacher derer los, die eine ernsthafte Chance auf diesen Posten haben. Wenn man nämlich in einer Werbeagentur arbeitet, ist man eigentlich automatisch auch ein zielbewusster Karrierist. Zumindest geht das den meisten meiner Kollegen so. Mir persönlich liegt nichts daran, ich will schon den Job als Texter eigentlich gar nicht haben, aber er verdient mir meine Brötchen und es gibt schlimmeres – wenn auch nicht viel. Wirklich, jetzt mit der Aussicht auf einen besseren Posten, werden die Büroräume der Agentur plötzlich zum Haifischbecken.

Alle passen nun genau auf, was sie noch zu wem sagen. Es wird in einem Büro ja immer recht viel und gerne getratscht. Man sollte es nicht meinen, aber von der Tippse bis zum Vorstand haben alle Agenturmitarbeiter die ausgeprägte Mentalität eines alten italienischen Waschweibes, wenn es um Gerüchte geht. Das ist ganz schön ernüchternd. Normalerweise beschränken sich die Kollegen ja darauf, sich mit Gerüchten und deren Verbreitung einfach nur die Zeit zu vertreiben, aber jetzt geht es schließlich um ein großes Ziel: der Posten des Creative-Directors. Jetzt sind Gerüchte nicht mehr bloß Zeitvertreib, sondern eine sehr effektive Waffe, wenn es darum geht, Kollegen zu verunglimpfen, die auch Chancen auf den Posten haben. Da werden Gerüchte in die Welt gesetzt, dass sich die Balken biegen. Gestern wurde mir hinter vorgehaltener Hand zugetragen, dass das Gerücht im Raume stände, dass ich zu illegalen und äußerst brutalen Hunde-Kämpfen gehen würde, die finstersten Luden meine Freunde nennen würde und außerdem ein ernstes Problem mit meiner Spielsucht hätte. Meine Fresse, da muss man auch erst einmal drauf kommen.

Ich habe mir dann erlaubt, eine Rund-Mail an ALLLE KOLLEGEN zu verschicken: ´Liebes Agentur-Volk. Spart euch das Gerede über meine Wenigkeit, alle Gerüchte, die ihr über mich verbreitet, sind nur Perlen vor die Säue. Ich will den Posten als Creative-Director gar nicht haben. Sollte das Gerede über mich nicht sofort enden, hole ich mal meine Zuhälterfreunde mit ihren Hunden! Vielen Dank´. Sollen sie doch denken, dass ich die tatsächlich habe. Wenn die Leute in einer Agentur ein bisschen Angst vor einem haben, kann das nur von Vorteil sein.