Heute ist er. Der Tag, MEIN Tag! Endlich bekomme ich, was mir seit Jahren zusteht. Lob, Anerkennung, ganz sicher auch eine Gehaltserhöhung. Elf lange Jahre, in denen ich gebuckelt habe, inkompetenten Kollegen zuarbeiten musste, ich war nicht mehr als ein besserer Kaffeeholer.

Aber ab heute ist alles anders. Die Zeit des Buckelns und der Botengänge ist vorbei. Botengänge? Ja, auch die musste ich erledigen, wenn gerade keine Sekretärin verfügbar war. Und das als eines der größten Marketinggenies des Landes! Keiner hat meine Arbeit gewürdigt, niemand sah, zu welchen kreativen Höchstleistungen ich fähig war. Aber dann hat sich das Blatt gewendet.

Niemand in der Agentur wusste, warum der Auftraggeber darauf bestanden hat, nur MICH mit dieser Kampagne zu beauftragen. Endlich war meine Chance gekommen, endlich konnte ich beweisen, zu welchen Leistungen ich fähig bin. Die nächsten Wochen waren die Hölle. Überstunden, kaum Schlaf, ich verbrachte oft sechzehn Stunden und mehr in meinem Büro, welches ich mir seit diesem überraschenden Auftrag nicht mehr mit einer Bürokraft teilen musste. Die Ideen sprudelten nur so aus mir heraus, das Konzept nahm Formen an, die ganze Kampagne nahm Form an. Okay, der Auftraggeber musste einige Male das Budget aufstocken, aber dafür bekam er auch was geliefert, nämlich die beste, innovativste und erfolgreichste Werbekampagne aller Zeiten!

Heute bekomme ich den Lohn für all meine Mühe. Nach der erfolgreichen Präsentation beim Auftraggeber, dessen Begeisterung und dem Bonus, den er extra noch bezahlte, gibt es heute im Büro ein Fest- der richtige Rahmen für meine Beförderung. Da muss ich mich natürlich auch in Schale werfen, grauer Anzug, weißes Hemd, knallig rote Krawatte. Ich sehe schon den Agenturboss, wie er von meiner Arbeit schwärmt und den Anwesenden mitteilt, dass ich ab heute Abteilungsleiter, oder vielleicht sogar Partner werde.

Was ist das für ein Geräusch? Der Wecker. Leider nur ein Traum.