Es ist wieder soweit – das Oktoberfest ist da. Und die gesammelte Agenturmannschaft muss mit, weil der Chef immer noch meint, das würde jedem gefallen. Na ja, ihm gefällt’s, und da er viel von sich und seinem Geschmack hält, denkt er, was für ihn gut ist, ist es für alle anderen erst recht. Die Agentur zahlt und wer nicht mit will, gilt als asozial.

Wie in jedem Jahr begann ich auch in diesem Jahr bereits im Frühsommer an darüber nachzudenken, wie ich am besten aus der Nummer rauskomme. Am Agenturschreibtisch sitzend plante ich komplizierte Sportunfälle, erfand tote entfernte Verwandte und spielte sogar einmal kurz mit dem Gedanken einer Spontankündigung. Die Aussicht, mit der ganzen Agentur schon wieder auf die Wies’n zu müssen, trieb mich fast dazu, der Gesellschaft endgültig den Rücken zu kehren und mir ein kleines Segelboot zu kaufen, meinen Pass und meine Bahn-Card zu verbrennen und fortan unentdeckt in den Gewässern einer kleinen tropischen Insel zu leben. Hauptsache ich müsse nicht mit mit auf das Oktoberfest.

Aber wie das so ist. Es obsiegte dann doch die Angst des kleinen Mannes vor einer Existenz ohne Dispokredit und Versicherung und ich dachte so bei mir: „Ach komm schon…so schlimm kann es ja auch nicht werden.“ Dabei sollte ich es in den letzten 3 Jahren, die ich jetzt schon bei der Agentur bin und seit dem alle Jahre wieder auf die Wies’n mit muss, doch wohl mal gelernt haben – es kommt immer noch viel schlimmer, als ich mir in meinen schlimmsten, kaltschweissigen Albträumen ausmalen kann. Ein Wochenende mit der gesamten Agenturmannschaft in München auf dem Oktoberfest – so stelle ich mir das Fegefeuer vor.

Die Praktikantinnen werden in ihren Disney-Dirndln versuchen, die Art-Direktoren und Kreativen mit den Nasen voran in ihren Ausschnitt zu drücken und mit säuerlichem Bieratem und schrägem, betrunkenen Blick irgendwie auf dem nächsten Dixi-Klo zu verführen. Die Buchhalter werden sich dieses Rat-Race der moralischen Unzulänglichkeiten ansehen und nach der fünften Mass mittags um zwei erst in Trauer ausbrechen und vielleicht ein bisschen still in sich hineinweinen, um anschließend entschlossen zu Helene Fischer-Liedern auf dem Tisch zu tanzen.

Die Kreativen sind so auf Koks, dass sie nicht mehr mitbekommen, wie sie mit den Kiefern mahlen und der Chef schaut sich sichtlich bewegt seine Truppe an, fragt seinen Chef-Kreativen gegen Abend brüderlich verschworen nach einem Näschen und hält selbstbewusst seine obligatorische Rede darüber, was wir alle für tolle Menschen sind und wie stolz er darauf ist, dass wir eine so bahnbrechende Agentur sind, dass er ohne uns nichts ist und so weiter und so fort.

Am Ende seiner Rede wird die erste Praktikantin in Tränen der Rührung ausbrechen und für die nächsten Stunden liegen sich alle in den Armen und beweihräuchern sich gegenseitig. Und zu DJ Ötzis Wies’n Klassiker ‚ein Stern, der deinen Namen trägt‘, stelle ich mir dann vor, welchen Namen mein kleines Segelboot tragen wird, wenn ich im nächsten Jahr AUF JEDEN FALL NICHT MEHR DABEI SEIN WERDE. Dann vergrabe ich mein Gesicht im Ausschnitt des neuen Empfangsmäuschens und weine ein bisschen. Es lebe der Betriebsausflug.