Ich schätze meinen Chef wirklich sehr, na ja früher schätzte ich ihn noch mehr und war dankbar für die Chance, die er mir in seiner PR-Agentur als Neueinsteiger in der Branche gegeben hatte. Aber jetzt, also ganz ehrlich, jetzt fühle ich mich in meinen Fähigkeiten wirklich verkannt. Brav lernte ich mein Handwerk von der Pike auf. Benutzerfreundliches Webdesign, wie man selbst die schwierigsten Kunden mit professionellen und maßgeschneiderten Designs zufriedenstellt. Ja, und Werbetexte, die wurden zu meinem besonderen Steckenpferd. Denn dort konnte ich meine Kreativität so richtig ausleben.

Wie stolz war ich auf meine Slogans für jede Jahreszeit . „Der Sommer ist die heiße Zeit – auch für deine Webseite“ oder „Vertrau auf unser Design und du wirst der Google-Sieger sein“. Waren doch genial, fand ich zumindest. Ich sah mich schon als vielversprechender Anwärter für die global Effi Awards. Und dann kam dieser Schnösel von der Fachhochschule für Public Relations. Er schaffte es, unsere Umsätze deutlich zu steigern und schleimte sich bei unserem Chef so richtig ein. Bald bekam er sogar einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt, um unsere Agentur besser repräsentieren zu können. Da er ja anscheinend mit den Kunden so einen ausgezeichneten Umgang pflegte, war er ständig auf Dienstreise. Kurz gesagt, er war eine lebendige Sammelbüchse an Privilegien und erweckte den Neid aller anderen Mitarbeiter und meinen ganz besonders.

Ich dagegen klopfte in der Agentur Seo-Texte runter, hielt mich brav an Keyword-Vorgaben und wenn mich doch wieder eine Welle der Inspiration und Kreativität beflügelte, wurde diese spätestens von eben diesen Vorgaben schnell wieder auf den Boden der Realität herunter geholt. Zu dieser Zeit begann ich mich an ernsthafter Literatur zu versuchen. Mein erstes Werk mit dem Titel „Keywords-abstrakte Deduktion surrealer, postmoderner Sozialisierung“ wurde von Suhrkamp angenommen. Endlich fand ich meine Talente wieder durch die entsprechende Anerkennung bestätigt. Allen meinen Freunden war das Buch zu anstrengend, sprich unverständlich, es musste wirklich gut sein.